Ansätze einer Reflexion

Ausgangspunkt, die Strafanzeigen und die Klage gegen die Polizei sowie die anschließenden Prozesse zu begleiten, war nicht die Annahme, dass im deutschen Rechtssystem die Gewaltenteilung funktioniert. Wir glauben, dass dieser Weg es ermöglichen kann, Themen wie Polizeigewalt überhaupt in der (bürgerlichen) Öffentlichkeit zu thematisieren und sich öffentlicher Druck unter anderem auch auf die Täter_innen bei der Polizei auswirkt.
Des Weiteren haben wir die finanziellen, rechtlichen und kräftemäßigen Ressourcen, überhaupt einen solchen Weg zu gehen und zu begleiten – wir wissen, dass vielen anderen Menschen diese nicht zur Verfügung stehen und sie somit gar nicht die Möglichkeit haben, sich für eine Anzeige zu entscheiden.

Wir versuchen eine kontinuierliche Reflexion und Dokumentation der Prozesse und Prozessbegleitung, damit andere auf die Erfahrungen zurückgreifen können und wissen, was auf sie zukommt, wenn sie vor einer ähnlichen Entscheidung stehen. Diese Dokumentation wollen wir abschließend auch überarbeitet vervielfältigen. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist für uns die Enttabuisierung von Unsicherheiten und Verletzungen, die durch Repressionserfahrung und –androhung entstehen. Umgangsweisen von „das gehört dazu“ bis hin zu „es ist cool, einzufahren“, machen es umso schwerer, konkret zu benennen, wie Repression eigentlich wirkt:

Repression kann sehr unterschiedlich aussehen und Menschen gehen unterschiedlich damit um. Die Gemeinsamkeit ist jedoch, worauf Repression abzielt: Spaltung, Vereinzelung, Angst und Ohnmacht. Und schließlich: Rückzug von politischem Engagement.

Es ist total wichtig, dass Leute, die von Repression betroffen sind und zum Beispiel in (solchen) Gerichtsprozessen stecken, emotionalen, politischen, fachlichen und finanziellen Support bekommen – was nur selten der Fall ist und an sich schon ein Ausdruck der Macht des deutschen Justizsystems.

Antirepressionsarbeit und Prozessbegleitung ist eine sehr anstrengende und zermürbende politische Praxis. Das Schwanken zwischen Gefühlen, wie „das lasse ich mir nicht gefallen“ und Ohnmacht gegenüber dem Staatsapparat, der seinen Schläger_innen loyal ist, fällt eine_r häufiger auf die Füße als (von uns) erwartet.

Wir kennen das Gefühl und die Zweifel, ob der politische Druck, den wir versuchen aufzubauen, in der Konsequenz für die Angeklagte kontraproduktiv ist. Darüber lässt sich nur spekulieren. Wir verstehen dies als einen typischen Mechanismus von Repression: Dadurch, dass eine_r juristischen Druck erfährt, wird der politische Handlungsspielraum vieler eingeengt.

Wir haben zum Zeitpunkt der Anzeigen und Klage mit Repression gerechnet, der Vorwurf der „falschen Verdächtigung“ hat uns allerdings überrumpelt. Erst später haben wir von ähnlichen Fällen (zum Beispiel in Hamburg wegen der Anzeige gegen Polizist_innen, die einer Demonstrantin das Nasenbein gebrochen haben) mitbekommen.

Der politische Hintergrund der Unterstützer_innengruppe ist sehr unterschiedlich, auch wenn wir uns alle in einer feministisch_queeren_antirassistisch_linken_… Subkultur verorten. Wir haben alle damit gerechnet, dass vor Gericht eine große Show mit viel Druck und Psychogewaltspielchen abgezogen wird. Die Selbstverständlichkeit, mit der dies passierte, hat uns dennoch auch immer wieder ungläubig staunen und tierisch aufregen lassen.

 

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