Im Zuge des Christivals 2008 kam es zu einer Protestaktion gegen das Christival in Form eines Kiss-Ins auf dem Marktplatz. Dieses wurde von der Bremer Polizei gewaltsam beendet.
Zwei queer-feministsiche Aktivist_innen, die damals in Gewahrsam genommen wurden, reichten Verwaltungsklagen gegen den Polizeieinsatz und die Ingewahrsamnahmen ein.
12 Tage nach den abschließenden Gerichtsverhandlungen zu den besagten Protesten wurde gestern durch die rechtliche Vertretung der Kläger_innen das Urteil beim Bremer Verwaltungsgericht erfragt. Das Ergebnis lautet: Die Klage der beiden Queer- Aktivist_innen wird abgewiesen. Die offizielle Begründung des Urteils lässt weiter auf sich warten.
Wir sind über dieses Urteil nicht überrascht, denn es ist eine gesellschaftliche und politische Tatsache, dass es Menschen äußerst schwer gemacht wird, Polizeigewalt als solche zu benennen und dagegen vorzugehen. Darüber hinaus sind wir nicht so naiv davon auszugehen, dass Gerichte im Sinne von Betroffenen von Polizeigewalt entscheiden. Vielmehr werden Menschen, die versuchen sich zu wehren, mit Gegenanzeigen und anderen Repressionen eingeschüchtert.
Dennoch ist für uns als Prozessbeobachter_innen nicht nachvollziehbar, wie das Gericht einen offensichtlich völlig unverhältnismäßigen und brutalen Polizeieinsatz als rechtmäßig beurteilen kann.
Und das obwohl nicht die Aktivist_innen sich in Widersprüche verstrickten, obwohl Prozessbeobachter_innen den Korpsgeist der Polizist_innen beschrieben und obwohl die Tendenz des Prozessverlaufs und die Intensität und Länge der Prozesstage etwas anderes vermuten ließen. Offenbar sind Polizist_innen vor Gericht grundsätzlich glaubwürdiger als zivile Kläger_innen und Zeug_innen.
Auch in Hinblick auf kommende Versammlungen und Proteste bleibt dieses Urteil nicht unbedeutend, da hier wieder einmal das Recht auf Sichtbarkeit kritischer linker Öffentlichkeit untersagt wurde.
Was bisher geschah –
„Die Polizei an der langen Leine von Ordnern einer rechten christlichen Gruppierung.“ (Zitat Anwalt der Kläger_innen)
Bei dem Prozess ging es um die Klärung der Frage, ob es sich um eine spontane Versammlung im Sinne des Grundgesetzes handelte, ob eine Rechtmäßigkeit polizeilichen Handelns vorlag, ob und an wen Platzverweise ausgesprochen wurden und ob die Ingewahrsamnahmen und deren Durchführung einschließlich einer Nacktdurchsuchung ordnungsgemäß waren.
Am ersten Verhandlungstag im Januar 2010 trugen die beiden Kläger_innen dem Gericht vor, was ihnen am 2. Mai 2008 widerfahren ist. Am zweiten Verhandlungstag im Juni waren fünf Polizeibeamt_innen und zwei Aktivist_innen als Zeug_innen geladen.
Am letzten Verhandlungstag sagte ein weiterer Polizeibeamter als Zeuge vor dem Gericht aus. Danach folgten die Plädoyers der Kläger_innen und der Anwält_innen beider Seiten.
Die Anwält_innen der Kläger_innen betonten, dass während der Verhandlung klar heraus gearbeitet werden konnte, dass die spontane Aktion eine politische Versammlung war. Das Ausrollen eines Transparentes stellte beispielsweise ein Mittel dar, sich öffentlich zu äußern, die Inhalte waren unstrittig politisch, und es gab mit dem Christival einen konkreten Anlass, sich gegen sexistische und homophobe Inhalte zu positionieren. Die Aktivist_innen haben durch queeres, gleichgeschlechtliches Küssen eine kreative Protestform gewählt, um in einen kommunikativen Prozess mit der Umgebung einzutreten.
Weiter führten sie aus, dass es nicht Aufgabe der Polizei ist, sich von einer rechten christlichen Gruppierung anweisen zu lassen, gegen welche Leute sie wie zu handeln hat. Wenn Menschen homophobe und frauenfeindliche Inhalte von sich geben, müssen sie damit rechnen auf Gegenwehr zu stoßen. Wenn rechte christliche Gruppierungen diese Gegenwehr im öffentlichen Raum als Störung definieren und die Polizei daraufhin in ihrem Sinne handelt, überlässt die Polizei diesen die Definition dessen, was eine Störung ist.
Deutlich wurde, dass es eine beängstigende Routine zu sein scheint, dass Leute auf der Wache gezwungen werden, sich nackt auszuziehen. Nacktdurchsuchungen werden nach Ermessen der Beamt_innen durchgeführt, meist ohne jegliche Begründung und ohne Vermerk in den Akten. Bisher gibt es innerhalb der Bremer Polizei keinerlei Problematisierung dieser demütigenden Routine.
Von dem Rechtsvertreter der Stadt Bremen wurde hingegen eine Gefahrenlage konstruiert, die nicht nachvollziehbar begründet werden konnte. Die Ingewahrsamnahmen stellten nach Darstellung der Polizist_innen und des Vertreters der Stadt Bremen unerlässliche Maßnahmen dar, um die Veranstaltung des Christivals zu schützen
Gegen 13.20 Uhr zog sich das Gericht zur Beratung zurück und erklärte, den Beteiligten des Verfahrens das Urteil zuzusenden. Wie sich das Gericht entscheidet blieb bis zum gestrigen Tag offen.
Die offizielle Begründung des Urteils lässt weiter auf sich warten. Dies kann mehrere Monate dauern. Wir sind gespannt wie das Gericht das Urteil begründen wird und kämpfen weiter für Versammlungsfreiheit, gegen Polizeigewalt und Homophobie!
Weitere Informationen folgen, wenn die Begründung des Urteils vorliegt.
Antirepressionsgruppe 2.5.08
antirep25.noblogs.org